Der Fallturm Bremen wird seit mittlerweile 32 Jahren sehr erfolgreich betrieben und unterstützt Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt durch niederschwelligen und günstigen Zugang zu Schwerelosigkeit.
Durch die hohe Dynamik in der wissenschaftlichen und kommerziellen Raumfahrt der vergangenen Dekade ist der Bedarf für Forschung unter Weltraumbedingungen und zunehmend auch unter Bedingungen reduzierter Gravitation, wie sie auf Mond, Mars und Asteroiden herrschen, rapide gestiegen und ist höher als die derzeit verfügbare Kapazität im Bremer Fallturm.
Der neue GraviTower des ZARM nutzt einen aktiven Antrieb und ein selbstentwickeltes Entkopplungssystem für das Experiment und benötigt dadurch – im Gegensatz zum Fallturm Bremen – keine Vakuumkammer für die Freifallstrecke. Damit ermöglicht der GraviTower bis zu 960 Flüge pro Tag und in Zukunft auch Experimente unter reduzierter Gravitation. Die neue Anlage wurde erst im März 2022 in Betrieb genommen und wird jetzt bereits wissenschaftlich genutzt.

Wie funktioniert der GraviTower Bremen Pro?
Mit dem GraviTower wird Wissenschaftler*innen ein neues Weltraum-Labor zur Verfügung gestellt, in dem bis zu tausendmal am Tag Forschung in der Schwerelosigkeit möglich ist.
Für die Durchführung der Experimente nutzt der GraviTower ein Schienensystem. Das Besondere daran: Mit Hilfe eines Seilantriebs wird ein sogenannter Slider als Träger der Experimentkapsel auf exakt die Geschwindigkeit beschleunigt, die er theoretisch während eines Katapultfluges im Vakuum des Fallturms erreichen würde. Der GraviTower benötigt also kein Vakuum, weil er den Luftwiderstand über einen Seilantrieb kompensiert. Durch den Slider wird die Experimentkapsel von der Umgebungsluft abgeschirmt. Z
um Erreichen der Schwerelosigkeitsphase wird sie vom Slider abgekoppelt. Anschließend befindet sich die Experimentkapsel für 2,5 Sekunden als berührungsloses Objekt im freien Fall. In dieser Zeit gibt es innerhalb des Sliders keine Luftbewegung, die den freien Fall der Experimentkapsel bremsen würde, so dass wir eine ähnlich hohe Qualität der Schwerelosigkeit erreichen wie im Fallturm. Gegen Ende des freien Falls wird die Experimentkapsel schließlich wieder an den Slider gekoppelt, und beide werden durch den Seilantrieb abgebremst.
Täglich können mit dem GraviTower bis zu 1000 Experimente durchgeführt werden. Nach jedem einzelnen Experimentzyklus können die Wissenschaftler*innen auf das Experiment zugreifen, den Experimentaufbau variieren oder bereits Daten auswerten. Damit ist die Kombination aus der Qualität der Mikrogravitation und dem quasi uneingeschränkten Zugriff auf das Experiment nach jeweils 2,5 Sekunden einzigartig.
Mit 4.000 PS in die Schwerelosigkeit
Das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (Zarm) in Bremen weitet sein Angebot für Experimente in Schwerelosigkeit aus: Der „GraviTower Bremen Prototype“ (GTB Pro) ist die Miniatur-Ausgabe des großen Fallturms und deutlich leistungsfähiger. Im neuen, gerade mal 16 Meter hohen Turm des Zarm-Instituts an der Bremer Universität können ab sofort bis zu 100 Experimente täglich durchgeführt werden. Deutlich mehr als im großen Fallturm mit seinen 146 Metern Höhe, wo nur drei stattfinden können. Denn in diesem muss sehr aufwendig für jedes Experiment ein Vakuum erzeugt werden.
Die Versuchsanlage steht unter dem Glasdach der Halle des Forschungsinstituts in Horn-Lehe. Und kommt im Gegensatz zum großen Fallturm auch ohne Vakuum aus, um Versuche unter Weltraumbedingungen durchzuführen. Der Luftwiderstand wird mittels eines neuartigen Schlitten-Systems ausgeschaltet. Ein Seilantrieb beschleunigt dabei die Versuchskapsel, die in die Höhe schnellt, um so bis zu zweieinhalb Sekunden die Schwerkraft aufzuheben.
Im Grunde ist der GraviTower also ein Präzisions-Hochleistungs-Aufzug mit einem Hydraulikantrieb von 4.000 PS, in dem die Versuchskapsel in knapp vier Sekunden gut zwölf Meter zurücklegt, fünffache Erdbeschleunigung erfährt und auf diesem Weg kurzzeitig eine schwerlose Freiflugphase erlebt. Im Vergleich: Mit deutlich mehr Aufwand sind im großen Fallturm 9,3 Sekunden Schwerelosigkeit simulierbar.
Die Falltürme sind gut ausgebucht
Zunächst wird die Universität Duisburg-Essen mit ihrem Forschungsprojekt „Erica“ den „GraviTower“ nutzen. Die Wissenschaftler untersuchen dort rund eine Woche lang mögliche Einschläge in Asteroiden-Oberflächen. Erforscht werden soll, wie Gestein reagiert, würde man beispielsweise mit Sonden auf Asteroiden landen, um Proben zu entnehmen. Auch in den nächsten Monaten ist der „GraviTower“ bereits gut ausgelastet, so der Betreiber. Er rechnet, dass er in Zukunft genauso gut gebucht sein wird wie der große Fallturm.
Der große Vorteil der Bremer Anlagen: Statt teurer Versuchsreihen im Weltraum lassen sich hier – wenn auch nur für wenige Sekunden – vergleichsweise günstig Weltraumbedingungen für die Experimente herstellen. Die Entwicklung und der Bau des „GraviTowers“ lagen bei 1,85 Millionen Euro. Ein Drittel der Gelder stammt aus einem Projektzuschuss des Landes Bremen und zwei Drittel kommen von der Fallturm-Betriebsgesellschaft.
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ACHTUNG: Dazu gibt es auch eine App – GraviTower Bremen Pro AR App
Erkunde selbst den GraviTower Bremen Pro (GTB Pro), ein Labor für Schwerelosigkeit! Mit Augmented Reality erfährst du, wie es funktioniert und warum Forschung in Schwerelosigkeit für unser tägliches Leben so wichtig ist.
Das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) ermöglicht seit 1990 Experimente in der Schwerelosigkeit. In seinem größten Labor, dem Fallturm Bremen, werden Experimente für bis zu 9,3 Sekunden dem freien Fall ausgesetzt. Seit 2021 ergänzt der GraviTower Bremen Pro (GTB Pro) das Angebot am ZARM: Mehr als 100 Mal am Tag können Forschungsteams aus aller Welt ihren Experimentaufbau für 2,5 Sekunden der Schwerelosigkeit aussetzen – oder auch unterschiedlichen Gravitationsbedingungen, wie z.B. der Anziehungskraft auf Mond oder Mars.
Die „GTB Pro AR App“ holt das Labor für Forschung in der Schwerelosigkeit direkt nach Hause oder ins Klassenzimmer! Man kann dann den GraviTower Bremen Pro von allen Seiten betrachten und sogar in Betrieb erleben. Zusätzlich wird gezeigt, wie und warum der Fallturm Bremen und der GTB Pro überhaupt funktionieren. Phänomene wie Mikrogravitation und das Äquivalenzprinzip sind hier einfach verständlich erklärt.
Außerdem bekommt man einen Einblick in das ZARM selbst, das ein wissenschaftliches Institut der Universität Bremen ist und eine faszinierende Bandbreite an verschiedensten Raumfahrtthemen beherbergt.
Hier geht es zur App