Die Beschleunigung ergreift uns wie ein Naturphänomen. Immer erreichbar sein, nichts verpassen, weder auf der Autobahn, im Flugzeug, im Kino, noch auf der Toilette. Und wenn dann noch das Handy piept, hat man dafür eh keine Zeit, oder?
Die Technik unserer Zeit ist durch ständige Verbesserungen geprägt. So wird zwar das Rad nicht neu erfunden, allerdings dreht sich das Rad immer schneller. Sinn und Zweck des Ganzen ist die Zeitersparnis, denn heutzutage zählt die Schnelligkeit zu den Lebensadern eines Unternehmens. Time-to-Market lautet in diesem Fall das Zauberwort – time is money ist die Formel dazu.
Doch nur so funktioniert der Markt. Jeder Zeitsparende soll individuell bedient werden. Auf diese Weise können die Zeiger der Uhr für jeden Einzelnen von uns zurückgedreht werden. Schnell, kurz und bündig und trotzdem allumfassend informiert werden, das fordert heutzutage der Schnellkonsument. Nachrichten und Beiträge müssen kompakt fokussiert sein, ob mit Kästen oder Grafiken spielt keine Rolle. Hauptsache per Eilexpress! Ob dabei die Informationstiefe auf der Strecke bleibt, sei erst Mal dahingestellt.
Langsam dämmert es selbst den Schnellen, dass Geschwindigkeit auch heute nicht alles ist. Selbst die Autobauer, die eigentlich von Berufs wegen Künder der Beschleunigung sind, werben heute mit dem Slogan „Nicht schneller ankommen, sondern besser“. Wie der Weg aussehen kann, zeigt uns die heutige Jugend. Rechtzeitig erreichbar und immer verfügbar sein, so lautet die Devise der Handy-Fetischisten. Und was machen sie? Sie telefonieren nicht, sondern sie benutzen WhatsApp oder SMS.
Kurz gefasst, in 160 Buchstaben muss alles gesagt sein. Das fällt leicht, wenn nur mitgeteilt werden soll, ich komme später. Eine Liebeserklärung dauert da schon länger. Wäre es da nicht einfacher und schneller, einfach mal zu telefonieren. Goethes Gretchen hätte ihre Botschaft an Faust recht straffen müssen. 611 Buchstaben gibt Goethe ihrem Liebesbekenntnis. 451 zu viel für unsere Zeit.
Natürlich hat der Spruch „Lebe schnell, stirb jung“ in seiner Gnadenlosigkeit schon etwas für sich. Doch wer ständig forciert, wer immer schnell ist, um nichts und niemand zu verpassen, der übersieht leicht das Kleingedruckte im Leben. Und so heißt es bei John Steinbeck: „Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will.“ Das will heißen, nur mit Muße genießt man sein Leben, wird relaxter und behält den Überblick. Gut Ding will also Weile haben.