Rauf auf die Jungfrau! Halt! Kopfkino erst mal anhalten ich sage Euch gleich, worum es geht: Das Abenteuer beginnt in Grindelwald, im Berner Oberland. Von dort kann man eine verrückte Reise beginnen, zusammen mit täglich 5000 anderen Erdenbürgern. Das Ziel heißt Jungfraujoch! Für die Hin- und Rückfahr habe ich 204 Schweizer Franken bezahlt. Einmal im Leben «Top of Europe» mit dem weltberühmten Panoramablick auf den Aletschgletscher. Doch bis man dort ankommt hat man schon einiges erlebt.

Auch ich möchte jetzt endlich rauf zum Höhepunkt Europas. Einmal im Leben „Top of Europe“ mit dem weltberühmten Panoramablick auf den Aletschgletscher. Es war die teuerste Zugfahrt meines Lebens und doch habe ich es nicht bereut.

Bis auf 3454 m geht es hoch und dann ist man im Hochsommer bei 2 Grad Celsius auf einmal mitten überm Gletscher und bestaunt von der Plattform aus die gewaltige Natur. Doch bis man dort ankommt hat man schon einiges erlebt. Das Abenteuer beginnt in Grindelwald Schon an der Bahnstation merke ich, dass ich nicht die einzige bin und einen weltbekannten Ort besuche. Die Bahn ist voller Weltenbürger, die einen Besuch des Jungfraujochs als einer der Höhepunkte ihrer Europareise ansehen.

Eine Zeit später wird’s im Abteil dunkel, denn man ist im Fels drin, im Eiger, im Schacht der Natur gewissermaßen, des Berges hohler Bauch, gewölbt mit Alabaster, wie Albrecht von Haller in seinem Gedicht „Die Alpen“ schrieb. Vor hundert Jahren haben Arbeiter diesen Kanal in den Eiger gepickelt und gesprengt, und es gibt im Abteil Amerikaner, die diese Leistung anerkennen und unglaublich finden; auch hört man, wahrscheinlich von einem österreichischen Professor, das Wort „Jahrhundertleistung“. Andererseits gibt es hier im Stollen nichts zu photographieren, unnütz hängen die Apparate vor der Brust; man friert und gähnt und fragt sich, wie lang die Jahrhundertleistung noch dauert.

Ein amerikanischer Teenie staunt: «There you go…» (Schau dir das an), die Engländerin antwortet mit einem «gooorgeous» – und der Wageninhalt (die Touristen) zückt en bloc den Fotoapparat. Eine fantastische Szenerie. Nicht nur die Landschaft, sondern wie sich die Besucher daran erfreuen. «Es ist schon schön hier, wirklich schön.

Umsteigen auf der Kleinen Scheidegg auf 2061 Metern. Dort treffen nicht nur die beiden Strecken via Grindelwald und Lauterbrunnen zusammen – sondern ganze Kontinente: der Spanier in kurzen Jeans, der Australier in der Hightech-Ausrüstung, die Inderin im Sari um nur einige zu nennen. Von hier aus nehme ich den letzten Abschnitt der wunderschönen Reise auf mich.

Mehrmals am Tag stellt die Jungfraubahn die Verbindung zwischen der Kleinen Scheidegg auf 2061 Meter und dem Jungfraujoch mit 3454 Meter her. Ein Pfiff und schon startet die Maschine: Mit „cruising speed“ wie die Lokführer es nennen, eine Geschwindigkeit von etwa 26 Kilometern pro Stunde, geht es hinauf in die Eiswelt der Viertausender. Ein Doppelzug misst 60 Meter. Bergauf zuckelt die Bahn mit maximal 35 Stundenkilometern, runter geht’s ein bisschen langsamer. Auf dem steilsten Stück mit 25 % Gefälle nur noch mit 17 km/h.


Irgendwann taucht die Bahn dann in den Tunnel ein, sieben Kilometer im Berg liegen noch zwischen Traum und Wirklichkeit. 50 Minuten dauert die komplette Fahrt vom Ausgangspunkt auf der Kleinen Scheidegg hinauf an den Ursprung des Großen Aletschgletschers. Auf der zwölf Kilometer langen Strecke überwindet die Zahnradbahn rund 1400 Höhenmeter. Mehr als die Hälfte liegt im Tunnel. Den Vergleich mit einem U-Bahn-Fahrer wollen die Lokführer aber nicht hören. Ein erster Stopp ist die Haltestelle „Eigergletscher“ in 2320 Metern Höhe.

Auf der Strecke hoch zum Joch hält die Bahn zwei Mal an. Den ersten Stopp gibt es auf 2865 Höhenmeter an der Eigerwand, wo sich bereits ein toller Ausblick über die Bergwelt bietet. Beim Eismeer, dem Stopp Nummer 2, ist der Blick auf das ewige Eis einfach spektakulär und die Luft ist dünn hier schnappen die ersten nach Luft. Die Aussicht erfolgt jeweils durch große Fenster, denn der letzte Abschnitt der Bahn führt durch einen Tunnel durch den Berg, was an sich schon sensationell ist. Nach fünf Minuten Schauen, Fotografien und nach Luft schnappen, geht es weiter…

Ich bin im Wagen mit einer gemischten Reisegruppe untergekommen. Mir gegenüber zwei chinesischen Touristen. Der links von mir ist etwas blass im Gesicht und nervös. Die Höhe? Die Enge? Die Dunkelheit? Der rechts von mir hängt am Handy und telefoniert. Unglaublich. Bei der Deutschen Bahn geht in fast jedem Tunnel das Netz flöten.

Beim Tunnel-Stopp auf 3160 Meter Höhe an der Station Eismeer hat man freien Blick auf die Rückseite von Eiger, Mönch und Jungfrau. Fünf Minuten später geht es weiter



Nach einer knappen Stunde Fahrzeit ist das Ziel erreicht, wir sind oben: Top of Europe auf 3454 Meter. 1400 Höhenmeter in 50 Minuten, das steckt nicht jeder so einfach weg. Man steigt aus und ist überwältigt von dem herrlichen Ausblick auf den Aletschgletscher, mit 24 Kilometern der längste der Alpen, auf Jungfrau, Mönch und Silberhorn, sowie auf all die Viertausender der Berner Alpen. Mir ist etwas schwindelig.

Tatsächlich, das Atmen fällt auch mir schwer – wie soll das erst am Mount Everst funktionieren? Alle sind angekommen auf dem mit 3.454 Meter höchstgelegenem Bahnhof Europas, mit ihrer High-Tech-Ausrüstung inklusive Selfiestick, Flip-Flops und leichtem Schwindel im Kopf.

Bist du Schokoladenliebhaber? Auf dem Jungfraujoch gibt es tatsächlich einen Lindt Chocolate Shop. Hier ist das Einkaufen der süßen Verführungen besonders billig, da es ein Fabrikladen ist. Also zugreifen!

Hier oben muß keiner in den Schnee, es gibt ausreichend Unterhaltung: Restaurants, Uhrengeschäfte, Schokoladenshop, Klamotten- und Souvenierläden, Multimediashows – so dass jeder reinen Gewissens behaupten kann, er war oben.

Übrigens: Im Eispalast liegen drei Fässer Whisky, der in der kalten Höhenluft reift. Für 195 Franken kann man eine Flasche kaufen. Produziert wird der Whisky von der Rugenbräu Brauerei in Interlaken – habe ihn schon probiert, schmeckt super!

Viel zu früh sitzen alle wieder im Warteraum und wollen in den Zug nach unten. Nach einem Abstecher in den Eispalast (dort ist es wärmer als draussen), die Lindt-Erlebniswelt und die Sphinx-Terrasse entscheide auch ich mich für den Abstieg. Nach sechseinhalb Stunden, eingetaucht in ein Potpourri aus hundert neuen Eindrücken, kommt es mir vor wie ein Abstieg in die reale Welt. Ich werde aber nur bis zur Haltestelle Kleine Scheidegg fahren. Von hier laufe ich ins Tal – etwas Berg, Natur und Ruhe muss jetzt unbedingt sein.

Abschied vom Jungfraujoch. (Bilder: Ullrich Höltkemeier)

Ziemlich spezielles Feeling

Mein Fazit: Ein Ausflug aufs Jungfraujoch ist kostspielig und aufwändig, aber definitiv die Reise wert. Meine Vorurteile haben sich im Positiven wie im Negativen bestätigt: Ja, es hat viele unterschiedliche Erdenbürger. Und ja, auch blieb die Luft weg. Doch der Besuch des Jungfraujochs ist ein wirklich tolles Erlebnis. Die Aussicht ist einmalig und der Blick über den Aletschgletscher einfach spektakulär. Nutzen sollte man möglichst morgens die erste oder zweite Bahn, dann hat es noch nicht ganz so viele Leute. Und eins noch zum Abschluss: Ich liebe Lindt Schokolade und auf dem Jungfraujoch gibt es einen Fabrikverkauf. Also unbedingt zugreifen.

Und da ertönt auch schon der bekannte Pfiff. Es geht Abwärts und runter geht‘ s etwas langsamer. „Es ist ein ziemlich spezielles Feeling hier oben. Die Luft ist anders. Es ist fast schon ein Abenteuer fernab der Welt und der Ziviliation.“