Wenn der Sommer sich in Irland langsam verabschiedet, wird es in einem kleinen Ort in County Clare erst richtig heiß. Denn dann verwandelt sich Lisdoonvarna – ein verschlafenes Kurstädtchen an der Westküste Irlands – in die wohl charmanteste Flirtzone der Insel. Beim Matchmaking Festival trifft Tradition auf Tanzfläche, Romantik auf Rebellion – und wer Single ist, hat beste Chancen, es zumindest vorübergehend nicht mehr zu sein.

Das Festival, das über den gesamten September geht, zieht Tausende Interessierte aus Irland und der ganzen Welt an – nicht unbedingt mit dem Ziel, die große Liebe zu finden (obwohl das auch vorkommt), sondern um zu tanzen, zu lachen, zu trinken, zu flirten. Und das alles im Soundtrack von Live-Country, Irish Folk und gutem alten Rock’n’Roll – von mittags bis in die frühen Morgenstunden.

Im Zentrum des Spektakels: Willie Daly, der letzte traditionelle Heiratsvermittler Irlands, der mit einem zerfledderten Liebesbuch und schelmischem Blick n Singles zusammenbringt. Ob seine Vermittlungen ernst gemeint sind oder eher der Romantik des Augenblicks geschuldet – darüber lässt sich trefflich diskutieren. Sicher ist nur: Wer sich in Willies „Matchmaker Bar“ einfindet, erlebt eine Mischung aus irischem Kulturerbe, Kneipenromantik und einem Festival, das in dieser Form einzigartig ist.

Und genau das macht Lisdoonvarna so besonders: Hier zählt der Moment. Ob man am Ende mit einem Tanzpartner, einem Flirt oder einem Heiratsantrag nach Hause geht – alles ist möglich. Das Festival ist ein herrlich altmodischer Gegenentwurf zur Dating-App-Welt. Statt Swipen heißt es: Anstoßen. Statt Matching: Lächeln. Statt Smalltalk im Chat: Ein echter Tanz – mit echten Menschen.

Tipps am Rand zwischen Nord und Süd

Auch wer gerade keinen Tanzpartner findet, kann sich trotzdem verlieben – und zwar in die atemberaubende Landschaft des County Clare. Ein Muss: ein Spaziergang entlang der berühmten Cliffs of Moher, wo der Atlantik auf dramatische Weise gegen Irlands Westküste schlägt. Wer es romantischer mag, spaziert Hand in Hand durch die Karstlandschaft des Burren – mit ihren wilden Orchideen und verborgenen Höhlen ein Naturparadies wie von einer anderen Welt.

Musikfans sollten sich einen Abstecher ins nahegelegene Doolin gönnen – das Epizentrum für Irish Folk und Fisch & Chips vom Feinsten (unbedingt zu Russell’s Fish Shop!). Oder den kleinen Ort Fanore entdecken, wo sich Wellenreiter und Strandläufer die endlose Atlantikkulisse teilen.

Wer lieber duftende Ruhe sucht, wird in der Burren Perfumery fündig: ein stiller Rückzugsort mit duftenden Gärten, feinem Tee und selbstgemachter Naturkosmetik – ideal zum Durchatmen oder für eine duftende Erinnerung an eine unvergessliche Begegnung.

Egal, wofür man sich entscheid, eins ist klar. Ob mit oder ohne Flirt: Clare bleibt im Herzen.

Hintergrund

Was heute wie ein ausgelassenes Volksfest wirkt, hat tatsächlich eine tief verwurzelte Geschichte. Im 19. Jahrhundert war Lisdoonvarna vor allem für seine Heilquellen bekannt – ein Treffpunkt für Erholungssuchende aus ganz Irland. Nach der Ernte kamen die Bauern, um sich zu entspannen – und nebenbei auch, um potenzielle Partner kennenzulernen. So wurde das Matchmaking zur Tradition.

Die Vermittlung selbst übernahmen sogenannte Matchmaker – Männer mit sozialem Feingefühl, gutem Gedächtnis und dem richtigen Gespür für menschliche Chemie. Diese Rolle wurde über Generationen hinweg weitergegeben, zuletzt an Willie Daly, der seit über 50 Jahren als kupplerischer Gastgeber fungiert.

Doch das Festival hat sich verändert: Heute ist es viel mehr ein soziales Happening als ein klassischer Heiratsmarkt. Die Besucher kommen in erster Linie wegen der Stimmung, der Musik, des Tanzes – und weil Lisdoonvarna mit seinem schrulligen Charme ein ganz eigenes Festivalgefühl bietet.

Hier zählt weniger das Happy End – als das Hier und Jetzt.