Eine Software, die mit Künstlicher Intelligenz Sprachbarrieren überwindet, Sensoren, die Gerüche erkennen, und intelligente Materialien für die bionische Schiffsbeschichtung für verminderte Reibungsverluste – das sind nur einige der Themen, die das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) auf der Hannover Messe 2019 präsentiert, die in diesem Jahr unter dem Leitthema „Integrated Industry – Industrial Intelligence“ steht.
Vom 1. bis 5. April 2019 ist das KIT dabei erneut auf zwei großen Leitmessen vertreten: auf der „Research & Technology“ (Halle 2, Stand B16) und auf der „Integrated Energy“ (Halle 27, Stand L51).
Künstliche Intelligenz: Sprachbarrieren überwinden
Beim internationalen Austausch, ob in Wirtschaft oder Politik, sind bis heute menschliche Simultanübersetzer gefragt. Doch Anforderungen und Honorare sind hoch: Dolmetscher können den vielfältigen Bedarf nicht decken. Forscherinnen und Forscher des Interactive Systems Lab des KIT präsentieren ein selbstlernendes System zur automatischen Simultanübersetzung: Es verbindet automatische Spracherkennung mit maschineller Übersetzung und weiteren Hilfsfunktionen.
Das Ergebnis steht dann auf einer Webseite zur Verfügung und ermöglicht so das Suchen über Textabfragen. Die Spracherkennung lässt sich damit auch für das Erstellen von Echtzeit-Transkriptionen einsetzen – das hat ein Projekt im Europäischen Parlament nachgewiesen. In der Wirtschaft bringt softwarebasierte effiziente und transparente Kommunikation ebenfalls entscheidende Vorteile für viele Branchen. Das System ist in einem ausgereiften Entwicklungsstadium: 2012 wurde der automatische Vorlesungsübersetzer in Hörsälen des KIT eingebaut und hilft seitdem internationalen Studierenden dabei, Vorlesungen in deutscher Sprache zu folgen.
Der Lecture Translator ist ein vollautomatisches Softwaresystem zur Simultanüber-setzung auf Basis Künstlicher Intelligenz. (Foto: Interactive System Labs, KIT)
Sensortechnik: Mit der eNase Gerüche digital erfassen
Bislang sind auf dem Markt für Geruchsanalytik lediglich vereinzelte und teure Lösungen für spezialisierte Anwendungen zu finden. Der Fokus liegt dabei weniger auf einem praktikablen Einsatz, als auf einer präzisen chemischen Analyse der Gaskomponenten. Das soll sich nun ändern: Gemeinsam mit dem Industriepartner smelldect entwickelt das KIT eine elektronische Nase, die eNase, mit der wesentliche olfaktorische Informationen schnell und einfach zu erfassen sind – nämlich, ob ein Geruch einem vorher angelernten Referenzgeruch entspricht und damit beispielsweise als gefährlich oder ungefährlich einzustufen ist.
Die künstliche Nase ist nur wenige Zentimeter groß und besteht aus einem Chip mit Nanodrähten aus Zinndioxid. Ist ein bestimmtes Geruchsmuster im Chip eingelernt, kann es der Geruchssensor innerhalb von Sekunden wiedererkennen. Die eNase soll preiswert, anlernbar und somit nahezu universell einsetzbar sein. Mögliche Anwendungsszenarien sind intelligente Brandmelder, das Raumluftmonitoring oder die Lebensmittelkontrolle.
Auf der Hannover Messe präsentieren das KIT und smelldect einen einsatzbereiten Demonstrator der eNase. Zukünftig soll die Technologie so verkleinert werden, dass sie in einem Smartphone Platz findet.
Mit dem smelldect-Demonstrator können olfaktorische Informationen schnell und einfach erfasst werden. (Foto: Martin Sommer, KIT)
Intelligente Materialien: Bionische Schiffsbeschichtung vermindert Reibungsverluste
Der Salvinia-Effekt ermöglicht es bestimmten Pflanzen wie den Schwimmfarnen (Salvinia), auch unter Wasser zu atmen. Dazu halten sie eine dünne Luftschicht auf der Oberfläche ihrer Blätter, die haarartige Strukturen aufweist und extrem wasserabweisend ist. Diese natürliche Strategie ist Vorbild für eine Schiffsbeschichtung, die im 2018 gestarteten EU-Projekt AIRCOAT entwickelt wird. An dem Projekt sind zehn Forschungseinrichtungen beteiligt, wissenschaftlich koordiniert vom KIT.
Auf der Hannover Messe präsentieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von AIRCOAT nun den Demonstrator einer selbstklebenden Folie, die auf den Schiffsrumpf aufgebracht wird. Diese erzeugt eine dünne Lufthülle, die den Reibungswiderstand wesentlich verringert und gleichzeitig als physikalische Barriere zwischen Rumpfoberfläche und Wasser wirkt. Dadurch lassen sich Kraftstoffverbrauch und Abgasausstoß des Schiffs beträchtlich reduzieren. Die Luftschicht vermindert auch die Abstrahlung von Schiffslärm. Überdies verhindert sie die Ansiedlung von Meeresorganismen am Schiffsrumpf, das sogenannte Fouling, sowie die Freisetzung von bioziden Substanzen aus darunterliegenden Beschichtungen ins Wasser.
Künstlich hergestellte Polymerprobe mit strukturierter, unter Wasser lufthaltender Oberfläche. Die Reflexion des Lichtes an der Luftschicht lässt die schwarze Polymeroberfläche unter Wasser silbern erscheinen. (Foto: Arbeitsgruppe Professor Schimmel, KIT)
Industrie 4.0: Mit einem Klick zum Digitalen Zwilling
Die Digitalisierung bietet Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, bestehende Prozesse zu optimieren oder ganz neue Wege zu gehen. So ermöglicht die Erstellung eines Digitalen Zwillings – also eines 3D-Abbilds der Realität – innovative Lösungen für den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden, Produktionen und Produkten. Digitale Zwillinge sind heute nicht mehr nur ein Thema für Großunternehmen, sondern ermöglichen auch Mittelständlern Kosteneinsparungen, höhere Flexibilität und Zeitersparnisse.
Das KIT zeigt ein im Industrie 4.0 Collaboration Lab entwickeltes System, über das erstmals ein zentraler Dienst sämtliche für einen Digitalen Zwilling notwendigen 3D-Bestandsdaten hardware- und softwareunabhängig bereitstellt. Elementar ist hierbei die automatisierte Erstellung von 3D-Modellen aus Punktwolken mittels der „Click & Build“-Technik. Dabei kommen neue Algorithmen zum Einsatz, die es Anwendern ermöglichen, Messdaten – die beispielsweise mit einer Drohne erstellt wurden – mit einem Klick in virtuelle 3D-Objekte zu überführen.
Power-to-Gas: Produktion mit hohem Wirkungsgrad
Speicherlösungen für regenerativ erzeugte Energie sind ein entscheidendes Puzzlestück der Energiewende. Die Erzeugung von Synthetic Natural Gas (SNG) aus erneuerbaren Energien ermöglicht die Stromspeicherung in der Infrastruktur des bestehenden Erdgasnetzes und die Nutzung von SNG ohne fossile CO2-Emissionen. Dafür wird in der Regel zunächst Wasserstoff mittels Niedertemperatur-Elektrolyse produziert, der anschließend in einer Methanisierungsanlage in SNG umgewandelt wird. Das vom KIT koordinierte und von der Europäischen Union geförderte Projekt HELMETH (Integrated High-Temperature ELectrolysis and METHanation for Effective Power to Gas Conversion) hat gezeigt, dass der Wirkungsgrad bei der Produktion von SNG aus Strom gesteigert werden kann, wenn beide Prozesse energetisch miteinander verknüpft werden.
Beim HELMETH-Prototyp wurden durch die konsequente Nutzung von Synergien aus Hochtemperatur-Elektrolyse und Methanisierung bereits Wirkungsgrade von 76 Prozent von Strom zu SNG erreicht. Dies ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den üblichen 54 Prozent für bestehende Power-to-SNG-Anlagen. Größere Anlagen im Industriemaßstab könnten bei weiterer Optimierung Wirkungsgrade von über 80 Prozent erreichen.
Am 1.4.2019 wird Dr. Stefan Harth im Forum Integrated Energy von 16:30 bis 17:00 Uhr den hocheffizienten Power-to-Gas Prozess im Vortrag erläutern (Halle 27, Stand L55).
Künstliche Intelligenz und Energie – Top-Themen im Forschungsmagazin lookKIT
Sie ist als Begriff allgegenwärtig, wird unseren Alltag, unsere Arbeit und die Gesellschaft verändern: die Künstliche Intelligenz (KI). Doch wie soll KI zukünftig genutzt werden, damit sie den Menschen hilft und einen Mehrwert für Wissenschaft und Wirtschaft erbringt?
Aus verschiedensten Perspektiven beleuchten Forscherinnen und Forscher des KIT diese Frage im Magazin lookKIT und nehmen Chancen und Risiken der KI in den Blick. Der Präsident des KIT, Professor Holger Hanselka, berichtet im Interview über seine Arbeit im Lenkungskreis der Plattform Lernende Systeme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zu den weiteren Themen zählen Robotik, Autonomes Fahren und erfolgreiche KI-Ausgründungen des KIT: https://www.sek.kit.edu/3216_4301.php